mater fidelium_stuttgarter zeitung

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1024 974 Petra Pfirmann

 Statt Jesuskind sieht man Katze und Hund

Esslingen. Die Künstlerin Petra Pfirmann porträtiert Tattookünstler, DJs, Krankenpfleger und Fotografen mitsamt den Objekten ihrer Zuneigung. Ihr Vorbild sind dabei Abbildungen der Muttergottes. Von Ulrich Stolte

Zu einem faszinierenden Experiment hat sich die Esslinger Malerin Petra Pfirmann aufgemacht: Sie porträtiert die Liebe. Eines der Urbilder der Liebe – im wahrsten Sinne des Wortes – ist für sie die Madonna mit dem Jesuskind. Ein zweites ist die Pieta, die Mutter Maria, die ihren toten Sohn in den Armen hält. „Der größte Schmerz einer Mutter drückt auch ihre größte Liebe aus“, der Moment, in dem sie ihr Kind verliere, sagt Pfirmann.

Die Künstlerin porträtiert gerade 18 Esslinger und Stuttgarter Bürger mit ihren Haustieren: Tattookünstler, DJs, Krankenpfleger, Fotografen. Sie steckt ihre Modelle in ein rotes Samtkleid und malt sie entweder als altmeisterliche Madonnen mit Kind oder in Pieta-ähnlichen Bildern, mit denen die Malerin auch den Verlust ihres Lebenspartners thematisiert.

Petra Pfirmann arbeitet ohne Eitelkeit mit tiefem Ernst. Die dominierenden Farben sind blau und rot, wie es eben seit alters her die Farben der Madonna sind. Statt des Jesuskindleins sieht man Hunde, Katzen und Hasen, die Objekte der Liebe heute. Lustig machen will sie sich nicht darüber. Sie versucht, den berührenden Blick einer Frau auf ihre Katze genauso einzufangen, wie das halb trauernde, halb zärtliche Gesicht einer Frau auf ihren treuen Hund, der bald sterben wird.

Die 18 Bilder von Esslinger und Stuttgarter Bürgern nehmen in monatelangem Ringen mit den Farben ihre Gestalt an. Petra Pfirmann kann in der brütenden Hitze ihres Ateliers im Esslinger Komma nur drei Stunden am Stück malen: Das reicht dann höchstens für ein Ohr oder einen Mund. So wachsen die Bilder um sie herum wie Pflanzen.

Alle 18 Bilder sind schon da, und werden Tag für Tag ein bisschen tiefer, exakter, farbtreuer. Noch nie hat Petra Pfirmann im Stil alter Meister gearbeitet, und am schwersten war es dabei, vor sich selbst zu bestehen. Sich abzugrenzen von dem, was die Gegenwartsmalerei ausmacht und was in den Akademien en vogue ist.

Weil sie in Esslingen einen gewissen Namen hat, konnte sie sich zunächst nicht vorstellen, diesen Namen unter ein altmeisterliches Bild zu schreiben. Sie erfand eine Kunstfigur, eine Polin mit Namen Eveline Konopka. Diese durfte Hasen, Hunde und Katzen malen. Denn diese Polin, die von der Deutschen Pfirmann schamlos ausgenutzt wird und in ihrem polnischen Gartenhäuschen hauptsächlich Wohlfühlbilder pinselt, darf ruhig gegenständlich malen, ohne von der Kunstszene in der Luft zerrissen zu werden, sie kann es ja nicht besser. Und die Esslinger Kunstkenner kauften dann und wann auch mal ein Bild, weil sie die arme Polin unterstützen wollten.

Inzwischen hat sich Petra Pfirmann mit der Polin arrangiert und akzeptiert, dass es eine genauso große Kunst ist, ein realistisches Bild zu malen, wie eine informell gestaltete Tapete zu bestücken. Sie bekennt sich zu ihrem Pseudonym, denn die Liebe, auch zwischen den beiden Avataren einer einzigen Künstlerpersönlichkeit, die höret nimmer auf, auch wenn die Liebe zwischen den beiden zuweilen wie ein Tanz auf Messers Schneide scheint. Auf Messers Schneide steht auch ihre Existenz: Um dieses Projekt zu stemmen, kann sie sich um keine andere Art des Gelderwerbs mehr kümmern.

Bis zum 23. Oktober müssen die 18 Esslinger und Stuttgarter Leinwandbürger, ihre endgültige Gestalt angenommen haben. Dann kommen sie dahin, wo sie hingehören, in ein Kirchenschiff. Die Ausstellung im Kloster Heiligkreuztal bei Riedlingen beginnt um 17.30 Uhr.