Katharina Schwinn
Petra Pfirmann zeigt Konopka
Eröffnung der Ausstellung im Kunstsalon Maisach am 10.11.2012
Petra Pfirmann ließ ihr Alter Ego Eveline O. Konopka Tiere malen, großäugige Wesen, von putzig bis unheimlich, die Sie heute hier an den Wänden des Kunstsalons sehen.
Es handelt sich um serielle Arbeiten im Format 30 x 30 cm, öl auf Leinwand. Die Farbpalette ist beschränkt auf Schwarz-, Weiß-, Braun- und Blautöne. Dargestellt sind Tiere, meist nachtaktive Exemplare, wie Eulen, Fledermäuse, Wiesel oder Mäuse, die aus dem dunklen Hintergrund herausleuchten. Auch exotische Lemurenarten und Erdmännchen sind zu sehen. Es handelt sich nicht um Naturstudien, also das penible Sezieren der tierischen Anatomie mit dem Pinsel, sondern um Momentaufnahmen. Die Tiere scheinen im Augenblick der Bewegung eingefroren, Konturen verschwimmen angesichts der Geschwindigkeit. Falkenjunge flattern aufgeschreckt, eine kleine Schleiereule, gerade bei der Mauser, schaut den Betrachter mit glänzenden schwarzen Augen an. Um sie herum liegen zarte Federn. Ein Hund springt mit gefletschten Zähnen aus dem Dunkel, Tellergroße Makiaugen glotzen uns an.
Die Tiere entwickeln ein Eigenleben, starren aus dem Dunkel heraus, spielen mit Urinstinkten wie Zuneigung, Flucht, Angst. Starrende Augen fallen hier vor allem auf – die apotropäische (also unheilabwendende) Funktion solcher Bildwerke ist in vielen Kulturkreisen bekannt, es handelt sich hier um ein sehr altes, weltweit verbreitetes Zeichensystem. Fixierende Augen wecken instinktiv unser Unbehagen, besonders irritierend ist es, wenn dieses Merkmal zusammen mit den Zuneigung erzeugenden Merkmalen – große Augen, kleiner Kopf, Kindchenschema – eines kleinen Tieres auftritt.
Die Künstlerin ist sich dieser Ambivalenz bewusst – und verstärkt sie noch mit der Geschichte, die sie um die Entstehung des Werkzyklus spinnt: Weit abgelegen im hintersten Winkel Polens in einem Gartenhaus gemalt von einer polnischen Aussteigerin, Eveline O. Konopka. Nachts huscht Konopka durch ihren Garten. Bewaffnet mit einer Taschenlampe leuchtet sie ins Gebüsch und erhascht dort Blicke auf allerhand Getier, welches dort im Dunkel lauert. Bald hat sie die Kreaturen auf die Leinwand gebannt, einen ganzen Zoo, der von ihren Wänden starrt: Schleiereule, Falken, Wiesel, Strauß, Hund, Maus, Schaf, „Beutelhase“, Fledermaus, Lemur, Maki, Erdmännchen, Kängurumaus. Unnötig zu erwähnen, dass dies nicht unbedingt alles in Polen beheimatete bzw. überhaupt real existierende Tiere sind… Denn die Tiere wurden ihrer Wirkung auf den Betrachter wegen ausgewählt, nicht um die heimische Fauna zu dokumentieren. Auf abenteuerlichsten Wegen kommen diese Bilder per Fernlastverkehr nach Deutschland.
Petra Pfirmann interessiert sich auch in ihren Installationen und Projekten für Mechanismen, Zusammenhänge und Gesellschaft, und so war es für sie so überraschend wie aufschlussreich zu sehen, wie das „Label Konopka“ ein Eigenleben entwickelte. Eigentlich als Herantasten an ein neues Betätigungsfeld, ein neues Sujet gedacht, zeigt sich bald das Potential Konopkas.
Als Konopkas Werke Ende 2009 zum ersten Mal im Atelier Petra Pfirmanns präsentiert werden, hängen sie Seite an Seite mit den abstrakten Arbeiten Pfirmanns. Publikum und Presse sind fasziniert von den seltsamen Tierbildern und der mysteriösen polnischen Künstlerin. Groß ist der Gegensatz zu den großformatigen Arbeiten Pfirmanns, die mit den für sie charakteristischen Materialien – Acryl, Kaffe, Teebeutel und Fett – abstrakte, meist dem Informel verpflichtete Bilder schafft. In ihren Projekten und Installationen bezieht Pfirmann sich auf die Welt in der wir leben, Gesellschaft, Religion und Umwelt. In ihrer jüngsten Aktion „tube in“ im Rahmen des Esslinger Kulturfestes „Stadt im Fluss“ im September diesen Jahres stellte sie zum Beispiel den Esslinger Bürgern begehbare und fahrbare Rohre zur Verfügung, welche dann als Prozession vor das Gerichtsgebäude zogen, dort anklagend aus dem Weltinneren vom „World overshoot day“, also vom Ende der Ressourcen kündeten und am Ende im Kanal versenkt wurden.
In der Kunstgeschichte sind Künstlerbiografien, die allein auf dem Erfindungsgeist etwa eines Schriftstellers beruhen nichts Neues. Man denke nur an die 1998 veröffentlichte Biografie „Nat Tate. An American Artist (1928-1960)“ des schottischen Autors William Boyd. Erst nach erfolgreicher Buchvorstellung in Atelier des – übrigens nicht eingeweihten – Jeff Koons erfuhr die Kunstwelt, dass Nat Tate allein der Phantasie Boyds entsprungen war. Auch Wolfgang Hildesheimers „Marbot“ aus dem Jahr 1981 ist hier zu nennen.
Die Veröffentlichung der eigenen Werke unter Pseudonym oder falschem Namen ist in der Literatur wie auch in der bildenden Kunst beliebt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Mal gibt es politische Gründe, mal fürchtet man um seinen Ruf ob des unpassend erscheinenden Sujets oder weil man als chronisch armer Künstler des Geldes wegen Porträts oder Blumenstilleben produzieren muss. Oder ein neues Betätigungsfeld soll von der Umwelt objektiv beurteilt werden und nicht in Hinsicht auf die bisher veröffentlichten Werke. Letztendlich ist die Qualität der Arbeiten entscheidend und nicht der Namenszug am Bildrand.
Petra Pfirmann verfolgt ihre alten Ziele weiter: In jüngeren Arbeiten blicken uns Konopkas Tierchen aus Pfirmanns Informel heraus an. Die seltsamen Tiere im farbigen Dickicht der Formen und Linien lösen etwas im Betrachter aus, verborgende Instinkte werden hier wachgekitzelt und die Phantasie angeregt. Dies gelingt in der vielschichtigen Gestik des Informel eindrucksvoll. Und egal, ob sich nun ein Künstler für die Gegenständlichkeit oder das Informel entscheidet, letzten Endes wird immer nur die Qualität für die Nachhaltigkeit und den Erfolg in der Kunstgeschichte entscheidend sein.
Katharina Schwinn

