
Einführung Andreas Baur, städtische Galerien, Esslingen
Typisch Arche
21.03.2014
Noah und Scheherezade träumten kollektiv
„… Petra Pfirmann ist gut. Dies auch als Künstlerin, als Type als Person, die Präsenz zeigt, Haltung auch, die sich einmischt, hierzu später mehr.
Und nun 1000 und eine Nacht und die Rettung vor der Sintflut. Noah und Scheherezade träumten kollektiv, heißt es auf der Einladungskarte zur Ausstellung. Was für ein Pas de deux.
Nur so viel zur Erinnerung: Scheherazade ist eine herausragende Erzählerin, die durch klugen Spannungsaufbau ihrer Geschichten das Vertrauen ihres Gatten des persischen Königs gewinnt und damit einer grausamen Serie von Tötungen von Frauen ein Ende bereitet.
Mit anderen Worten: Kunst oder Fiktion zeigt Wirkung. Eben auch bezogen auf sogenannte real existierende Verhältnisse.
Petra Pfirmann arbeitet in märchenhaften Schattenbildern oder soll man eher sagen mit Lichtbildern. Es sind Inszenierungen im Kleinen, die in ihrer narrativen Qualität auch sind Bilder der Welt und die Wahrheiten sind, interpretatorische allemal, nicht zuletzt ein wenig wie Platons Bilder im Höhlengleichnis. Bei Petra Pfirmann kann kann es heißen, dort die alte Frau und der Bär an anderer Stelle finden wir zwei axtbewehrte Brutalos, die sich aufmachten einen Bären umzunieten: feste, feste und noch ein Axthieb drauf.
Fast schon rührselig wie im comic-artigen Storyboard später ein weiterer Bär zu Hilfe eilt und versucht, den geschundenen Kollegen wieder aufzurichten, ihm wieder Leben einzuhauchen. Vergeblich. Diese Geschichte hat alles, nur kein gutes Ende. Das Happy End, wir hatten es gerade davon, im Flur stehend, findet dann doch statt. Dort im Waschbecken, das vereinte Bärenpaar in einem Nest und ausgestattet mit Schutzfunktion, der Wasserhahn, verstopft.
In Petra Pfirmannns Inszenierungen agieren Archetypen oft im Widerstreit: an einer Stelle, die alte Frau gegen Jesus: wer gewinnt? Und Jesus ist der hinten, ist der vorne? Schwer zu entscheiden. Und dort im Bild das Mädchen aus Vietnam.
Eingerichtet und fein austariert werden diese Szenen zunächst in Glaszylinder mit Modellfiguren und Spielobjekten dann ausgeleuchtet und das geht nicht mit jeder Lampe…, der Schattenwurf fotografisch sodann gebannt, statt Lampen kommt gelegentlich auch ein Video zum Einsatz, dessen bewegte Bilder und Akteure legen dann noch weitere Schichten an, das wird ganz schön dicht, so Lage für Lage für Lage.
Es kommt mir in den Sinn: wo ist eigentlich Evelin Konopka, sie hatte hier gelegentlich Gastauftritte. Ich hoffe es geht ihr gut im fernen Lande, ihre Hütte steht in den Masuren, wenn ich es recht erinnere.
Kunst macht Welt sichtbar und wenn dem so ist, und das ist der Fall, dann kommt Künstlerinnen und Künstlern eine besondere Rolle zu, eine als Verstärker, als Widerhaken, als enormes Korrektiv.
Wie herrlich war es vor einigen Tagen gemeinsam mit Petra Pfirmann zu erinnern, wie es war seiner Zeit als Kind mit dem Pelikanfarbmalkasten in dessen Deckel sich die Schose in einen unansehnlichen braunen Farbbrei verdichtete und wenn man dann einmal glaubte, frisches Gelb zu benötigen: alles auswaschen, saubermachen. Erst danach konnte es weitergehen. Was für esenzielle Erfahrungen. Später an der Kunsthochschule lernte man, dass alles Farben gemischt ein neutrales Grau ergeben sollte. Im Idealfall. Doch weil Zusatzstoffe wie Lithopone zugemischt sind, klappt das nicht. Und warum, um alles in der Welt, sollte man heute Kindern verwehren, diese Erfahrungen selbst zu machen. In etwa durch sterile Versuchsanordnungen mit Farbgläschen alle sauber mit einem Deckel verschlossen und brav in Reih und Glied aufgereiht. Was für Bildchen werden einer solchen Ordnung folgen, wohlgemerkt.
Petra Pfirmann ist eine Person, die Präsenz zeigt, Haltung auch, die Konformität sprengt, die sich einmischt durch ihre Kunst aber auch im Gespräch und durch Handlungen. So ist sie Friedhofsgärtnern eine Herausforderung, Arbeitsvermittlern, Politessen und sicherlich Sozialarbeiterinnen auch. Und das ist gut so, das macht das Leben reicher. …“

