ESSLINGEN
10.12.2015
Mater Dolorosa mit Hund
Die Künstlerin Petra Pfirmann setzt die Marien-Thematik in ebenso provozierenden wie berührenden Mensch-Tier-Bildern um
Von Petra Weber-Obrock
Von Stefan Lochner bis Raffael, von den Niederländern des 15. Jahrhunderts bis zum Barock – die Darstellung der Madonna mit Kind ist einer der wichtigsten Topoi in der Kunstgeschichte. Auch in der Malweise konsequent, nähert sich die Esslinger Künstlerin Petra Pfirmann dieser hoch aufgeladenen Thematik an. Für eine Ausstellung unter dem Titel „Mater Fidelium“ schuf die Künstlerin „MaDonnenBilder“ in klarer Komposition und quasi altmeisterlicher Ausführung. Doch in diesen Bildern wird nicht etwa Maria dargestellt, die dem Christuskind in mütterlicher Liebe zugetan ist. Stattdessen schlüpfen Zeitgenossen in ihre Rolle und ihr Gewand, die ihre tierischen Lieblinge ganz nahe bei sich haben. Manche der Vorbilder sind in Esslingen wohl bekannt.
Da finden sich so bekannte Zeitgenossen wie die Literaturexpertin Ulrike Wörner mit ihrem Mops und der EZ-Fotograf Roberto Bulgrin, dessen weiße Katze auf dem Bild Männchen macht. Sie alle sind im gleichen tiefroten Samtgewand vor dunklem Hintergrund und in klassischer Pose dargestellt – sei es der liegende, schon todgeweihte Hund, den sein Frauchen abschiednehmend betrachtet, oder der kleine, wie eine Kostbarkeit auf dem Schoß drapierte Hase. Im Zentrum jedes Bildes stehen die sensibel getroffenen Nuancen der Liebe, die Mensch und Tier miteinander verbindet.
Arbeiten einer Ghostmalerin
„Eigentlich ist es ja Eveline O. Konopka, die diese Bilder malt“, sagt Petra Pfirmann. Eveline, von der die Esslinger Künstlerin erzählt, sie lebe scheu und zurückgezogen im hintersten Masuren und male viel altmeisterlicher und gegenständlicher als Pfirmann selbst, die noch bis vor kurzem im Stil eines komplett abstrakten Informel arbeitete. Und um die Geschichte von Eveline O. Konopka komplett zu machen, erzählt Petra Pfirmann, der labilen Dame rücke hin und wieder die Crew des Raumschiffs Enterprise spionierend auf den Pelz. So bestechend die Idee einer der Globalisierung geschuldeten Ghostmalerin auch sein mag – Eveline ist nur ein virtuelles Alter Ego der Künstlerin Pfirmann, das ihr neue stilistische und inhaltliche Möglichkeiten eröffnet.
Nichtsdestotrotz wäre Pfirmann im vergangenen Jahr eine Werkstatt voller Mitarbeiter, wie sie die alten Meister hatten, durchaus willkommen gewesen. „In Öl in feinen Schichten zu arbeiten ist unglaublich arbeitsintensiv und zeitaufwendig.“ So innig die Darstellungen von Mensch und Tier auch ausgefallen sind – ein Selbstbildnis von Petra Pfirmann sticht aus der Serie von 18 Bildern heraus. Dieses Bild zeigt sie allein mit gefalteten Händen, eine Mater Dolorosa ohne Kind. „Ich habe vor zwei Jahren meinen Lebensgefährten verloren“, berichtet sie. In schonungsloser Wucht erzählt das Bild von Trauer, Einsamkeit und Verlust und der Notwendigkeit, trotzdem trotzig weiterzumachen.
Petra Pfirmann hat in ihrem Leben einige Neuanfänge hinter sich gebracht. Zu Beginn stand die Ausbildung als Webgesellin an der Sindelfinger Webschule. Danach folgten Ausbildungen im Textilbereich, eine Tätigkeit als Bühnenbildnerin und Regieassistentin am Staatstheater Stuttgart und eine Ausbildung als Kunst- und Gestaltungstherapeutin in München. Sie arbeitet als freie Künstlerin in Esslingen, hatte bis 2007 ein Atelierstipendium der Stadt und war auf zahlreichen Ausstellungen präsent. 2004 wurde ihr der Kunstpreis der Diözese Rottenburg-Stuttgart verliehen.
Ein Weg voller Kreuzungen
Schon vor Evelines gegenständlichen Interventionen überlagerten immer wieder ordnungsgebende Strukturen ihre informell gestischen Bilder. Beim ersten Festival „Stadt im Fluss“ befestigte sie ein Muster aus quadratischen Tüchern auf dem dahinströmenden Rossneckar. Die Tücher, durch die natürliche Einwirkung des Wassers verfärbt, wurden danach zu den 14 Stationen des Leidenswegs Jesu zusammengestellt. In den vergangenen Jahren hatte oft Eveline O. Konopka ihre ruhelosen Hände mit im Spiel. In Pfirmanns abstrakte Arbeiten schlichen sich Chimären und Phantome wie aus der Welt eines Hieronymus Bosch. Ihre Babyporträts, die Kinderfotos so berühmter Zeitgenossen wie Jimi Hendrix und Barack Obama nachempfunden sind, spiegeln durch ihr blasses Inkarnat und ihren Ausdruck den Tod. „Ich forsche einfach gern im Leben herum“, sagt Petra Pfirmann zu ihrem von Kreuzungen und Kreuzen geprägten künstlerischen Weg.
Petra Pfirmanns Ausstellung ist noch bis zum 31. Dezember im Kloster Heiligkreuztal, Am Münster 11 in 88 499 Altheim zu sehen. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Danach geht die Ausstellung auf Reisen.


